Die DEM-Chroniken von Willingen (Woche 1): Coco und Nam

Der in diesem Jahr ungewöhnlich leere Spielsaal in Willingen (Foto: Deutsche Schachjugend)

Update nach Runde 7

In diesem coronageplagten Jahr 2020 finden seit Mitte März fast keine Schachturniere am realen Brett mehr statt. Auch die Deutsche (Jugend-) Einzelmeisterschaften (DEM), die seit vielen Jahren in der Woche nach Pfingsten im sauerländischen Willingen stattfinden, fielen zunächst der weltweiten Pandemie zum Opfer. Umso erstaunlicher ist es, dass die Meisterschaften nun im Oktober doch noch nachgeholt werden können. Allerdings führt Corona zu einigen Abweichungen zum gewohnten Turnierablauf:

In der ersten Turnierwoche sind zunächst die älteren Jugendlichen (u14 aufwärts) an der Reihe, während in der zweiten Turnierwoche dann die u10- und u12-Konkurrenzen stattfinden. Außerdem werden nur 7 statt 9 Runden Schweizer System gespielt. Am Brett und auch sonst in allen öffentlichen Bereichen müssen Masken getragen werden und alle Teilnehmer mussten sich vor Turnierbeginn einem Corona-Test unterziehen. Nachdem dies erfolgreich geschehen ist, drücken wir die Daumen, dass nun im Turnierverlauf alles klappt und alle Teilnehmer gesund bleiben!

Beide Fotos: DSJ

Coco kann ihren 2019 errungenen Titel in der u12w aus Altersgründen nicht mehr verteidigen, ist aber dennoch als Nr. 1 in der Altersklasse u14w gesetzt. Hier ist natürlich zu hoffen, dass sie ihren Setzlistenplatz nicht verschlechtert… 😉

Nam konnte sich in der Berliner Meisterschaft u14 nicht für die DEM qualifizieren, hat aber einen Freiplatz erhalten. Er ist als Nr. 23 von 47 Teilnehmern gesetzt, so dass ein Platz im Mittelfeld zu erwarten ist. Die Nr. 1 der Setzliste stammt übrigens auch hier aus Berlin, nämlich Jonas Eilenberg von den Königsjägern.

In der zweiten Turnierwoche werden dann Lotti (Cocos jüngere Schwester) und Linnea unsere Farben in der Altersklasse u10w vertreten. Hierzu folgt dann noch ein gesonderter Bericht. Als Trainer ist  in beiden Wochen  Hendrik Möller vor Ort, der uns bestimmt wieder mit vielen Insiderinfos versorgen wird.

Samstag, 23.10.2020 – Runde 7

Schon ist die letzte Runde erreicht! Coco hätte noch mit einem Sieg auf dem 2. Platz landen können, aber es wurde „nur“ ein Remis durch Dauerschach und mit 4,5/7 Punkten der 4. Platz. Trotzdem eine gute Platzierung, und im nächsten Jahr darf sie nochmals in der gleichen Altersklasse starten (und die Plätze 1-3 nicht mehr…). —> Partie

Nam hatte in der letzten Runde mit dem Setzlisten-1. Jonas Eilenberg (Königsjäger Südwest) den stärkstmöglichen Gegner erhalten, und das auch noch mit Schwarz. Auch heute kam wieder ein Stonewall aufs Brett, mit dem Weiß offenbar gar nicht zurecht kam. Um 9:42 Uhr gewann Nam nach 23 Zügen die erste Partie der Schlussrunde überhaupt. —> Partie 5,0/7 Punkte und Platz 7 (obwohl nur als Nr. 22 gesetzt) sind jedenfalls ein Super-Ergebnis und der vergebene Freiplatz wird im Nachhinein gerechtfertigt!

Das Schlusswort überlasse ich nun dem begleitenden Trainer … Heeeeendriiiik!?
Bin ja schon da… 😉
Es war eine sehr spezielle Woche in Willingen. Im Vergleich zum ganzen Stress vorher (Braucht man einen negativen Test zur Anreise? Wie alt darf der sein? Wo zur Hölle bekommt man den auf die Schnelle her, wenn man eigentlich symptomfrei ist? Was kost das und wer bezahlt das?… und teilweise täglich wechselnden Antworten auf diese Fragen) war die DEM selbst fast schon meditativ. Nur ein Viertel der Spieler auf einmal (neben der DEM U10-U18 finden normalerweise noch die offenen Jugendmeisterschaften (ODEM) statt), viel mehr Platz im Spielsaal, keine Warteschlangen beim Essen, etwas weniger Druck durch die fehlenden Qualifikationsmöglichkeiten zur EM/WM. Dabeisein war zwar nicht alles in diesem Jahr, aber dass die Meisterschaft in dieser Form überhaupt stattfinden konnte, grenzte schon an ein Wunder und es war schön, diese Schachwoche mitgestalten zu können.

Nichtsdestotrotz wurde auf den Brettern bis zum Letzten gekämpft, wie man u.a. an Cocos durchschnittlicher Partiedauer erkennen kann. Geändert hat sich bei Coco im Vergleich zum Vorjahr gar nicht so viel, sie war mit ihrem etwas riskanten Stil nur nicht mehr ganz so überragend erfolgreich wie 2019. Während sie letztes Jahr jede noch so kritische Stellung überlebte und dann oft sogar noch im Endspiel gewann, ließen sich diesmal zwei ihrer Gegnerinnen die Butter nicht mehr vom Brot nehmen und das war mindestens einmal zu oft für eine Spitzenplatzierung, zumal bei nur 7 Runden.
4,5 aus 7 und 4. Platz klingt natürlich nicht so beeindruckend wie 7,5 aus 9 und Deutsche Meisterin, unterm Strich spielte Coco eine Altersklasse höher trotzdem ein ordentliches Turnier, wie auch die DWZ-Auswertung bestätigt (Leistung 1969, DWZ +7 –> 1948).
Saskia Pohle, die neue Deutsche Meisterin U14w, landete letztes Jahr in der U12w übrigens noch auf dem 10. Platz (an 2 gesetzt). Ein schachlich schwieriges Jahr später erringt sie (an 12 gesetzt) mit 6,5 aus 7 souverän den Titel. So kann es gehen, es sei ihr von Herzen gegönnt.
Nam ging mit ähnlich überschaubaren Erwartungen wie Saskia ins Turnier, an 22 gesetzt und die Spitze des Feldes war schon 300 DWZ-Punkte entfernt. Anfangs sah es auch lange nach Farhstuhl (gegen die schwächeren Gegner gewinnen, gegen die stärkeren verlieren) und gesichertem Mittelfeld aus. Doch nach 2 aus 4 zum Auftakt folgten noch 3 aus 3 zum Abschluss, wobei insbesondere der Weißsieg in Runde 6 wichtig war (in allen anderen Runden gewann bei Nam stets Schwarz). Die Schlussrundenpaarung gegen Jonas erwies sich für Nam im Nachhinein fürs Turnierergebnis als Glücksfall, wobei Nam (und auch mir) ein Nicht-Berliner als Abschlussgegner deutlich lieber gewesen wäre. Irgendwie werden die beiden auf jder DEM gegeneinander gelost und es gewinnt fast immer Nam. Das soll seine Turnierleistung natürlich nicht schmälern. Mit 5 aus 7, einer Leistung von 2128 und einem dicken DWZ-Plus von +59 –> 1955  spielte Nam sein bislang stärkstes Turnier überhaupt!

Noch weiter vorne als Coco und Nam landete aus Berlin übrigens nur Bao Anh Le Bui in der u14 (3. Platz, 5,5 aus 7), der auf den DEMs der letzten Jahre Topplatzierungen fast in Serie abliefert.
Auch der neue Deutsche Meister U14, Markus Albert aus Bayern, verdient eine Erwähnung. DWZ 1791 (vor dem Turnier), gesetzt an 34 von 45, erste Turnierauswertung 2019, aber Gerüchten zufolge über 9000 Partien auf Lichess seit Jahresanfang. Bei der Weissen Dame nennt man das „eine Sissi machen“. 😉

 

Freitag, 22.10.2020 – Runden 5+6

In der heutigen Doppelrunde wurden die Weichen gestellt, in welche Richtung es geht. Einen Sahnetag erwischte Nam, der beide Partien gewinnen konnte. Die erste Partie war ein überzeugender Stonewall mit Schwarz, in der zweiten Partie half der Gegner im Turmendspiel etwas mit, aber egal: 4/6 Punkte sind ein sehr ordentliches Ergebnis, das sich in der 7. Runde noch einmal steigern lässt. Link: Runde 5Runde 6

Auch Coco gewann die erste Partie im Coco-Stil, nachdem ihre Gegnerin ungünstig ins Endspiel abwickelte. Die zweite Partie sah bereits nach 20 Züge mit zwei Minusbauern sehr düster aus und dann folgte noch ein Qualitätsopfer. Die Gegnerin hatte dennoch größte Mühe, den Vorteil zu verwerten, aber irgendwann war es doch nicht mehr zu halten. Schade! Trotzdem sind 4/6 Punkte natürlich kein schlechtes Ergebnis. Link: Runde 5Runde 6

Donnerstag, 21.10.2020 – Runde 4

Heute stand nur eine Runde früh um 8:30 Uhr an. Runde 4 und schon ist die Turniermitte erreicht, auch das ist gewöhnungsbedürftig. Die Feierlichkeiten zum Bergfest fielen aus WeDa-Sicht allerdings aus, da es heute die erste Doppelnull setzte. 🙁

Coco spielte im Spitzenspiel gegen die Niedersächsin Emilia Bildat, hierbei ging es Coco-üblich hoch her. In der Eröffnung fraß sie einen Bauern, den sie bald zurückgeben musste. Im Mittelspiel standen ihre Figuren am Damenflügel ziemlich eingeklemmt in der Ecke und es bedurfte einiger taktischer Kniffe zur Abwicklung in ein Endspiel mit Läufer gegen Springer und je 2 Türmen. Hier hatte Coco gefühlt das Gröbste überstanden, nur der schwache schwarze Bauer auf g4 machte noch Sorgen. Nach dem Abtausch dieses Bauern gegen den weißen Bauern auf d3 wäre ein Remis wohl das wahrscheinlichste Ergebnis gewesen, in der Partiefortsetzung wurde jedoch nach dem Turmtausch auf c4 aus dem schwächlichen d3 ein c-Freibauer, der im Turmendspiel die schwarzen Kräfte band und Coco schließlich vor unlösbare Probleme stellte. Alle Tricks halfen nix, diesmal blieb das cocosche Enspielwunder aus und es setzte die erste DEM-Niederlage seit zweieinhalb Jahren oder 12 Partien.  Würden die Deutschen Meisterschaften etwas öfter stattfinden, wäre Coco sicher auch noch auf 125 Partien gekommen ;-).

Nam spielte an Brett 7 gegen Julius Ohler aus Rheinland-Pfalz. Seine Partie war etwas weniger dramatisch als Cocos, wenn auch mit demselben Ergebnis. Nach ruhiger Eröffnungsbehandlung war das Remis im Mittelspiel eigentlich schon fast unterschriftsreif, als Nam sich zu einem überoptimistischen Bauernopfer entschloss. Unterm Strich bekam er aber fast nix für den Bauern, der schwarze König stand immer noch sicher hinter seinem Bauernwall am Damenflügel. Im Gegenteil, nach dem Gegenangriff der weißen Dame auf den schwarzen Königsflügel bekam sogar Nams ebenfalls lang rochierter weißer König ernstliche Probleme, was schließlich zum Verlust der weißen Dame führte [ 🙁 ]. Turm und Läufer konnten der schwarzen Dame nicht genügend entgegen setzen, der letzte schwarze Bauer lief am Ende durch und entschied die Partie.

Um den diesmal etwas ausführlicheren Rundenbericht nicht ganz so deprimierend ausklingen zu lassen, hier noch eine schachliche Leseempfehlung aus Runde 4:
Die Partie Andrea-Alexandra Roncea – Daria Pikki war wirklich spannend und von Dascha mutig vorgetragen. Dascha spielt zwar diese DEM leider nicht mehr offiziell für die Weisse Dame, aber als einziger Berliner Trainer vor Ort betreue ich sie so halb mit und wir haben uns besagte Partie am heutigen freien Nachmittag angeschaut und versucht, sie zu verstehen. Fazit: Sophie hätte es kaum schöner spielen können! 🙂

 

Mittwoch, 21.10.2020 – Runden 2 und 3

Am zweiten Turniertag geht es bereits mit einer Doppelrunde weiter. Coco gewann beide Partien und steht mit 3 Punkten aus 3 Partien sehr gut da. Nam verlor zwar die erste Partie gegen einen starken Gegner, konnte aber die zweite Partie mit einem hübschen Figurenopfer gewinnen – damit stehen nach 3 Runden bereits 2 Punkte auf der Punktetafel.

Dienstag, 20.10.2020 – Runde 1

Beide Schützlinge starten erfreulicherweise mit einem Sieg in das Turnier. Coco hatte mit Weiß ihre Gegnerin eigentlich gut im Griff, aber ließ hre Gegnerin unnötigerweise entwischen. Also musste sie die Partie noch einmal gewinnen, was ihr in gegnerischer Zeitnot überzeugend gelang, daher 1:0zur Partie

Update: Im Video-Rundenbericht werden auch zwei Momente aus Cocos Partie behandelt (gleich in Minute 1 des Videos).

Nam verlor mit Schwarz nach etwas ungenauem Spiel einen Bauern, erreichte aber  Gegenspiel. In der folgenden Stellung hatte er dann das Glück auf seiner Seite:

Englert – Nam Tham nach 32.Dg2-e2

Weiß hatte zuletzt mit seiner Dame den Bauern c4 gedeckt und droht die Damen zu tauschen, was Schwarz mit einem Bauern weniger natürlich nicht möchte. Es folgte 32…Dh3+ 33.Kg1?! Noch nicht der Verlustzug, aber 33.Dg2 hätte Schwarz praktisch dazu gezwungen, mit 33…Dg4 die Züge zu wiederholen. 33…hxg3 34.hxg3?? Das stellt die Partie ein. Immer noch ein sicheres Remis wäre 34.Dg2 oder das Zwischenschach 34.Db2+ gewesen. 34…Dxg3+ Eventuell hatte Weiß übersehen, dass jetzt nach 35.Dg2 der Turm auf e1 hängt? Nun ist es schnell vorbei: 35.Kh1 Td7 36.Db2+Tg7 37.Tb1 Df3+ 38.Kh2 Dh5 matt 0:1zur Partie.

Alle Ergebnisse im Überblick:

Name AK R1 R2 R3 R4 R5 R6 R7 Summe
Nam Tham u14 1 0 1 0 1 1 1 5,0/7
Lepu Coco Zhou u14w 1 1 1 0 1 0 1/2 4,5/7

Alle Ergebnisse der Berliner Teilnehmer

Berichterstattung bei der Berliner Schachjugend