Langsam entwickelt es sich zur Tradition, dass die ERSTE ihre Saison in der Oberliga Nord-Ost mit dem Mannschaftskampf gegen Empor Berlin beginnt. In den ersten zwei Jahren nach dem Wiederaufstieg gelangen uns auswärts zwei hartumkämpfte und teilweise glückliche 4,5:3,5-Auswärtssiege (zum Nachlesen hier und hier).
Im verflixten dritten Jahr verordnete uns Staffelleiter J. Kohlstädt erstmals einen Heimkampf! Ob es wieder einen gelungenen Start in die Saison und eine unbeschwerte Saison ohne Abstiegsnöte geben wird? Um die Spannung (auch für etwas vergessliche Vereinsmitglieder) gleich heraus zu nehmen: zumindest das erste Ziel wurde leider nicht erreicht! Empor trat zwar diesmal nicht (wie 2018/19) mit den ersten Acht an, hatte sich aber mit dem prominenten Rückkehrer IM Karsten Volke am 1. Brett enorm verstärkt. Auch bei uns fehlten zwei Stammkräfte, die aber durch die Schachfreunde Kyritz und Kysucan adäquat vertreten werden konnten. Und dann ging es auch schon los:
Martin opferte interessant einen Bauern und machte dann in (aus meiner Sicht) aussichtsreicher Stellung nach Rücksprache mit dem Käptn recht früh remis. Ingo strebte gegen seinen jugendlichen Gegner ein Remis an und erreichte dieses schließlich erfolgreich in einem Damenendspiel durch ein Dauerschach. Michael lieferte sich in seiner ersten Oberliga-Partie seit 12 Jahren (!!) einen scharfen Kampf mit seinem Gegner. Seine Königsstellung sah zwischendurch etwas gefährdet aus, aber schließlich löste sich alles in Wohlgefallen auf. Schließlich gab es ein Remis im Endspiel. Alexander ließ im Mittelspiel ein typisch königsindisches Bauernopfer zu, nach dem er sehr bedenklich stand. Nachdem seine Gegnerin keinen überzeugenden Weg zum Vorteil fand, verflachte die Partie schließlich in ein am Ende nur noch symbolisch schlechteres Endspiel.
Bis hierhin sah es mit einem 2:2-Unentschieden also noch brauchbar aus. Leider folgten nun aber die „big points“ für unsere Gegner: Heinz übersah im Mittelspiel einen taktischen Schlag, wodurch er die Dame für Turm und Leichtfigur einbüßte. Danach war jeder Widerstand letztlich vergeblich. Kai stand in einem Holländer gefühlt schon früh komisch, sein König hatte kein richtiges Zuhause und drohte nach der späten kurzen Rochade unter Beschuss zu geraten. Nach dem mehr oder weniger erzungenen Damentausch war das Endspiel nicht besonders ansprechend, aber eine Fesselung kostete dann auch noch schnell den Springer und die Partie. Achim spielte eine lange sehr solide Partie mit optisch leichtem Vorteil, den sein Gegner aber zu neutralisieren wusste. Schließlich verpasste Achim den rechten Moment, um die Partie in den Remishafen zu steuern und überzog seine Stellung in ein schlechteres Endspiel, das schließlich nicht mehr zu halten war.
Beim Spielstand von 2:5 konnte ich (Hendrik) schließlich den Ehrentreffer markieren. In einem spannungsgeladenen Tarrasch-Mittelspiel kam mein Gegner irgendwann vom Pfad der Tugend ab, wonach mein Läuferpaar erstarkte und ich einen Bauern gewann.
In der (laut Stockfish noch etwa ausgeglichenen) Diagrammstellung folgte nun 27…Lf5 28.Tb2 Ld3 29.Lf1 c5! 30.Lxd3 cxd3 und der starke Freibauer d3 in Zusammenarbeit mit den aktiveren Figuren genügte nach 44 Zügen zum Gewinn. Endstand 3:5
(Bericht vom Hendrik Möller)
Bereits zwei Wochen später ging es zum ersten Auswärtsspiel der Oberliga-Saison nach Brandenburg an der Havel. Für den Aufsteiger hatte es in der 1. Runde eine 1,5:6,5-Niederlage gegen König Tegel II gegeben, und auch das Orakel prophezeite uns nach der Papierform einen 6:2-Erfolg. Dennoch wurde Kai-Gerrit nicht müde, uns zu warnen, den Gegner nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Und das nicht ohne Grund, denn schließlich hat er einst selbst das Schachspielen in Brandenburg/H. gelernt und kennt daher einen Teil der Mannschaft noch aus früheren Oberligazeiten.
Auf dem Weg vom Brandenburger Hauptbahnhof zum Spiellokal bekamen diejenigen 4/8 der Mannschaft, die mit dem Zug anreisten, daher von Kai eine heimatkundliche Führung geboten. Von der Jahrtausendbrücke über den Dom bis zum Loriotschen Waldmops konnten wir nahezu sämtliche Sehenswürdigkeiten Brandenburgs von Nahem oder aus der Ferne in Augenschein nehmen. Das sehr verlockende Angebot für eine um 11 Uhr beginnende Havelrundfahrt konnten wir leider nicht wahrnehmen, denn wir mussten ja Schach spielen! Zum Glück konnte die meterspurige Straßenbahn uns erschöpften Schachfreunden den Weg etwas abkürzen. Fünfeinhalb Stunden später stand es 7:1 für uns. Wie konnte das passieren?
Bei Martin stand das Brett in vollen Flammen, bevor der Kaffee zum ersten Mal durchgelaufen war, weil sein Gegner bereits im 7. Zug (!) eine Figur opferte. Zum Glück konnte er zu diesem Zeitpunkt keinen Blick in die Megabase werfen, denn dort hat der Partiezug 7…Dh5 bislang eine Erfolgsquote von 100% für Schwarz! – allerdings aus nur zwei Partien. In zukünftigen Ausgaben der Datenbank wird die schwarze Erfolgsquote jedoch auf 66,67% sinken, denn Martin konnte die schwarzen Drohungen nach und nach entkräften, und den vollen Punkt erzielen.
Heinz konnte dagegen in seiner Partie mit 16.Txf6! ein hübsches positionelles Qualitätsopfer anbringen, das ihm eine lang anhaltende Initiative sicherte. Nach 16…gxf6 17.Se4 De7 18.Dc3! Sd7 19.Lb2 wäre es Schwarz bereits schwer gefallen, überhaupt noch einen sinnvollen Zug zu spielen. Heinz setzte zwar etwas schwächer mit 18.Db2 fort, aber auch das genügte auf lange Sicht für einen ganzen Punkt.
Die übrigen Partien in Kurzform: Achim holte aus der Eröffnung einen Mehrbauern, aber sein Gegner konnte ausreichend Gegenspiel erzwingen – remis. Kai griff sich ebenfalls einen Mehrbauern, aber verteidigte diesen erfolgreich bis ins Endspiel und gewann damit. Ingo lavierte in einer geschlossenen Stellung besser als sein Gegner und gewann schließlich Material. Stefan stand passiv und landete in einem perspektivlosen Springerendspiel, das er allerdings erfolgreich zum Remis verteidigen konnte. Ich selbst zwang meinen Gegner zu komischen Zügen und gewann einen Springer, als sich dieser unvorsichtig vom Rand weg bewegte. Alexander schließlich konnte einen Freibauern bilden und diesen bis nach b2 vorrücken, was seinen Gegner eine Figur kostete.
Wenn es läuft, ist also alles ganz einfach… und wir stehen auf Platz 4 der Tabelle. Wollen wir hoffen, dass der Schwung aus diesem Mannschaftskampf auch in die nächsten Runden mitgenommen werden kann. Wie in fast jedem Jahr drohen nämlich in der Oberliga 3 oder 4 Absteiger, so dass man keine Mannschaft auf die leichte Schulter nehmen darf.
(Bericht von Thorsten Groß)
Stellungsanalyse von Heinz Uhl:
Heinz Uhl – Günter Walter (Stellung nach dem 17. Zug von Schwarz)
In seinem vorstehenden Bericht über das Auswärtsspiel der ERSTEN bei Lok Brandenburg hat Thorsten Groß im Ergebnis zutreffend – allerdings ohne nähere Erläuterung – ausgeführt, dass in der abgebildeten Stellung der von mir gespielte Zug 18.Db2?! schwächer als 18.Dc3 ist. Bevor nun hierzu nachfolgend noch eine äußerst verblüffende wie faszinierende Begründung nachgereicht wird, sei ergänzend kurz angemerkt, dass sich der auf den ersten Blick naheliegende Zug 18.Lb2 mit 18…Lf5! beantworten lässt.
Nach dem von meinem Gegner gezogenen 18…Sd7! wäre die weiße Dame auf c3 besser als auf b2 postiert. Das schätzte auch ich in der Partie so ein, weshalb dies hier nicht weiter vertieft werden soll. Bei der Wahl meines Zuges musste ich jedoch auch die mögliche Verteidigung Sa4 in Betracht ziehen, die darauf abzielt, die weiße Dame von der Diagonalen a1–h8 zu vertreiben, bevor diese von dort aus in Verbindung mit dem Springer auf e4 eine verheerende Wirkung entfalten kann.
In der Partiefortsetzung mit 18.Db2?! hätte ich nach 18…Sa4?? den Angriff auf meine Dame getrost ignorieren können, da 19.Sxf6+! Kh8 (nach 19…Kg7? führt 20.Se8+ in wenigen Zügen zum Matt) 20.Sd5+ den schwarzen Springer gewinnt. Im Fall von 18.Dc3 Sa4? 19.Sxf6+! Kh8 bleibt Weiß hingegen nur 20.Df3, wonach Schwarz über 20…Kg7! verfügt:
Heinz Uhl – Günter Walter (Analysestellung nach dem 20. Zug von Schwarz)
Da Schwarz auf 21.Lxg5! mit 21…De5 einen Doppelangriff auf Turm und Läufer folgen lassen kann, hielt ich diese Stellung für Weiß nicht für allzu aussichtsreich und zog folgerichtig 18.Db2?! dem alternativen 18.Dc3 vor. Schenkt man jedoch den Computerberechnungen Glauben, wäre 21.Lxg5! der einzige Zug gewesen, der Weiß entscheidenden Vorteil bringt – denn auf 21…De5 kann Weiß seinen Turm auf a1 mittels 22.h4!! einfach stehen lassen, da nach 22…Dxa1+ 23.Kh2 der weiße Angriff durchschlägt:
Heinz Uhl – Günter Walter (Analysestellung nach dem 23. Zug von Weiß)
Wegen dieses überraschenden Turmopfers hätte Weiß also auch im Fall von 18.Dc3 das alternative 18…Sa4? nicht fürchten müssen und sich demzufolge für das im Hinblick auf 18…Sd7! stärkere 18.Dc3 entscheiden können.
Abschließend die aktuelle Tabelle nach 2 Runden. Die 3. Runde wird am 23.11. zuhause gegen die SF Berlin III gespielt.
Mannschaft | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | Sp | MP | BP | BW | |
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1. | SC Kreuzberg | + | 4½ | 8 | 2 | 4 | 12½ | 52 | |||||||
2. | SV Empor Berlin | + | 5 | 6 | 2 | 4 | 11 | 54 | |||||||
3. | Greifswalder SV | + | 5 | 4 | 2 | 3 | 9 | 40 | |||||||
4. | SC Weisse Dame | 3 | + | 7 | 2 | 2 | 10 | 43½ | |||||||
5. | SK König Tegel II | + | 3½ | 6½ | 2 | 2 | 10 | 42½ | |||||||
6. | SC Zitadelle-Spandau | 3 | + | 5 | 2 | 2 | 8 | 35½ | |||||||
7. | SF Berlin III | 4½ | 3 | + | 2 | 2 | 7½ | 36 | |||||||
8. | SC Rotation Pankow | 3½ | 4 | + | 2 | 1 | 7½ | 39 | |||||||
9. | SG Lok Brandenburg | 1 | 1½ | + | 2 | 0 | 2½ | 12½ | |||||||
10. | SSC Graal-Müritz | 0 | 2 | + | 2 | 0 | 2 | 5 |