Über Ostern machten sich 10 Schachspielende der Weissen Dame auf den Weg in das badische Karlsruhe um am größten Schachturnier Europas teilzunehmen – dem Grenke Chess Open. Mit dabei in unserer Jugendgruppe waren auch zwei weitere Spielerinnen aus befreundeten Vereinen. Neben dem Open wurden auch die ersten drei Runden der Grenke Chess Classics ausgetragen – Möglichkeit dem Weltmeister und anderen Weltklassespielern live beim Spielen zuzuschauen.
Am 18. April (Gründonnerstag) machte sich die 11-köpfige, bunt zusammengewürfelte Jugendgruppe früh Morgens auf den Weg nach Karlsruhe. Um einen der wenigen von Berlin aus durchfahrenden Züge zu nehmen, war die Abfahrtszeit bereits um 8:00 Uhr ab Berlin Hauptbahnhof – nicht nur für den ein oder anderen Betreuer eigentlich zu früh ;-). Im Zug selbst trafen wir weitere Schachspieler aus Berlin, die ebenfalls nach Karlsruhe reisten. Nach sechs Stunden entspannter Zugfahrt, die teilweise für die ersten Schacheinheiten genutzt wurde, und einer kurzen Straßenbahnfahrt (in Karlsruhe heißt die Straßenbahn tatsächlich nicht Tram!) erreichten wir unsere Unterkunft, die Jugendherberge Karlsruhe, die uns wirklich sehr nett empfing:
Mit dabei waren Anna Gutmann, Gina Gehrke vom SC Rochade Müncheberg, die unsere u14w-Mannschaft bei der DVM im Dezember als Gastspielerin verstärkt hatte, Daria (Dascha) Pikki von den Schachpinguinen Berlin, sowie Josef Gelman, Sebastian Lutz, Davit Zohrabyan, Jalil Maliji, Justus Pattberg und Christ Xu, außerdem natürlich Claudia und Hendrik als Betreuer, wobei Hendrik Möller auch selbst im A-Open mitspielte. Als 10. jugendliche Teilnehmerin fest eingeplant war eigentlich noch Sophie Fayngold, die leider kurzfristig krankheitsbedingt passen musste. 🙁 Neben unserer elfköpfigen Reisegruppe waren von der Weissen Dame noch Manfred Lenhardt und Yannick Kather vor Ort, die ihre Teilnahme allerdings separat geplant hatten. Die Jugendherberge selbst war mit diversen Schachgruppen belegt, was Sebastian und Josef gleich zu einer JH-Meisterschaft inspirierte. Dass wir gar nicht so viel Freizeit zur Verfügung haben würden um solch ein Spaßturnier zu organisieren, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollends absehbar.
Was der Sponsor Grenke dort in Karlsruhe aufbot, ist defintiv einen Besuch wert: Drei offene Turnier mit über 2.000 Voranmeldungen in zwei riesigen Spielsälen (großer Spielsaal und Gartenhalle mit jeweils ca. 500 Brettern) und ein Rundenturnier mit dem Weltmeister, anderen Weltklasse-Spielern und zwei Top Spielern aus Deutschland zogen Teilnehmer aus der ganzen Welt an. Schlussendlich nahmen an den drei offenen Turnieren 1.992 Schachspieler aus der ganzen Welt teil – zusammen mit den 10 Spielern bei den Chess Classics wurde tatsächlich die Teilnehmerzahl von 2.000 überboten!
Die erste Runde fand noch am Anreistag statt. Offiziell war ein Beginn von ca. 18:30 Uhr angesetzt, doch die Auslosung der Startnummern der Chess Classics mit dem ersten Blick auf den Weltmeister Magnus Carlsen verzögerte den Rundenbeginn um ca. eine Stunde. Und da unsere Kinder und Jugendlichen schon lange Partien spielen, war unsere Reisegruppe erst gegen 23:30 Uhr fast vollständig in der JH – Josef nach einer langen Auftaktpartie sogar erst weit nach Mitternacht.
Da die nachfolgenden Tage eigentliche immer ähnlich abliefen, wird an dieser Stelle über unsere Teilnehmer berichtet. Kurz noch etwas zu den Turnieren: In allen drei offenen Turnieren wurden neun Runden an fünf Tagen gespielt. Das A-Turnier war offen für alle Spieler ab DWZ/ELO 1900, das B-Turnier war offen für alle Spieler bis DWZ/ELO 2000 und das C-Turnier war offen für alle Spieler bis DWZ/ELO 1400, s.d. für jeden Schachspieler ein passendes Turnier angeboten wurde. Die meistern Bretter des A-Opens waren im „großen“ Spielsaal aufgebaut; zusätzlich durften die ersten 41 Bretter des B-Open und die ersten 30 Bretter des C-Open im „großen“ Spielsaal spielen. Die restlichten Partien – auch ca. 500 Bretter – wurden in der deutlich helleren, aber zum Nachmittag hin schlechter belüfteten Gartenhalle gespielt.
A-Open (904 Teilnehmer) DWZ/ELO > 1900
Hendrik Möller (5 Punkte, Platz 348), gehandicapt durch einen anderthalb Wochen vor Turnierbeginn erlittenen Muskelfaserriss und deswegen in Karlsruhe auf Krücken unterwegs, legte mit 0 aus 2 einen klassischen Fehlstart hin. Nachdem Gina ihm in der Mittagspause nach der 2. Runde ungefähr zehn verschiedene in seiner Partie verpasste Gewinnmöglichkeiten aufgezeigt hatte, wurde es langsam besser – Hendrik blieb danach ungeschlagen und schloss das Turnier mit 5 Punkten aus den letzten 7 Partien ordentlich ab. Unterm Strich steht trotzdem ein DWZ-Minus von ca. 35 Punkten, da Hendrik nach dem verkorksten Start nur nominell schwächere Gegner bekam (meistens Jugendliche, die sich freilich trotzdem ordentlich wehrten 😉 ). Unter den gegebenen Umständen war das Ergebnis aber voll in Ordnung
Von Yannick Kather (4,5 Punkte, Platz 381), der u.a. mit Bruno Triebus in Karlsruhe war, kann an dieser Stelle hauptsächlich über die Ergebnisse berichtet werden. Sicher ist, er spielte ein super Turnier, holte unter anderem gegen vier Titelträger 1,5 Punkte, davon einen Sieg gleich in der ersten Runde gegen einen IM (dem Vernehmen nach hatte er hierbei endlich mal das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite). Insgesamt sind 50% gegen einen Gegnerschnitt von über DWZ/ELO 2200 richtig stark und wurden entsprechend mit einem DWZ- und ELO-Plus von jeweils ca. 30 Punkten belohnt. Übrigens war auch Yannicks Bruder Vincent in Karlsruhe zu einer Stippvisite vor Ort und unterstützte seinen Yannick zumindest moralisch 😉
Josef Gelman (3 Punkte, Platz 784) hatte sich viel vorgenommen und wollte unbedingt mindestens eine Partie gewinnen. Gegen anfangs deutlich stärkere Gegner sah er allerdings kein Land und legte zu Turnierbeginn eine lange Rochade hin. Unklar ist, ob er am zweiten Tag, nachdem er nach der ersten Runde, die erst gegen 19:15 Uhr am Donnerstagabend begann, allein den Weg zur JH finden musste und dort erst nach 01:00 Uhr ankam, noch zu müde war. Die restlichen sechs Partien remisierte Josef dann alle mal mehr, mal weniger schnell gegen überwiegend schwächere Gegnerschaft – Tiefpunkt in dieser Hinsicht war ein 13-zügiges Kurzremis in der letzten Runde. Unterm Strich stehen 3 Punkte und ein deutliches DWZ-Minus zu Buche (ca. -40 DWZ).
Manfred Lenhardt (2,5 Punkte, Platz 861) erwischte ein rabenschwarzes Turnier. Die Niederlage gegen IM Malte Colpe in der 1. Runde war sicherlich eingeplant und verschmerzbar, aber auch danach folgten nur 2,5 Punkte gegen einen Gegnerschnitt von unter DWZ 2000. Die Klimaanlage sowohl im Hotel als auch in den Spielsälen machten ihm zu schaffen, sodass er am Ende auch noch mit einer Erkältung kämpfte. Egal was er am Brett probierte, so richtig viel lief bei ihm nicht zusammen. Dafür verdingte er sich als NPC und spornte Hendrik durch seine moralische Unterstützung zur Rettung eines komplett verlorenen Turmendspiels an und unterstützte unsere Jugendlichen bei ihren Partieanalysen.
B-Open (797 Teilnehmer) DWZ/ELO < 2000
Anna Gutmann (4 Punkte, Platz 465) legte los wie die Feuerwehr und spielte bis zur Hälfte ein Riesenturnier. 3,5 Punkte aus 5 Partien gegen (mit einer Ausnahme) Gegner stärker als 1800, so könnte es doch weitergehen?! Leider ging es so nicht weiter, die Gegner wehrten sich mehr und das harte Programm (jeden Tag eine Doppelrunde und Anna spielte meist mit am längsten) forderte seinen Tribut. Es folgte ein lange Rochade und ein etwas kurioses Remis zum Abschluss. Unterm Strich gelang der zwischendurch schon sicher geglaubte Sprung auf DWZ >1700 nicht, was für sie nach dem grandiosen Start erstmal enttäuschend war. Es bleibt mit etwas Abstand aber die positive Erkenntnis, dass Anna Gegner mit DWZ 1700,1800 mittlerweile nicht nur ins Schwitzen bringen, sondern auch schon besiegen kann, sodass der nächste Schritt nur eine Frage der Zeit ist.
Gina Gehrke (4 Punkte, Platz 558) realisierte mit ihrem Remis in der ersten Runde gegen einen stärkeren Gegner einen guten Turnierstart, doch danach kam sie nicht so richtig in die Partien bzw. schaffte es nicht mehr, ihre guten Stellungen zu verwerten. Nach einem halben Punkt aus den folgenden 5 Partien schien das Turnier schon fast gelaufen, aber dann fand sie doch noch zum Schach spielen zurück und legte einen fulminanten Schlussspurt mit 3 Punkten aus 3 Partien hin. Da Gina fast durchweg stärkere Gegner hatte, genügten 4 aus 9 noch zu einem DWZ-Gewinn von 20 Punkten. Goethes Osterspaziergang, den sie thematisch als Hausaufgabe über die Osterferien lernen sollte, wollte sie trotz oder gerade wegen ihres doch guten Abschneiden doch nicht auswendig lernen ;-).
Sebastian Lutz (3,5 Punkte, Platz 605) opferte viel, erhielt einge taktisch gewonnene Stellungen und fand dann aber nicht immer die gewinnbringende Fortsetzung (andere in der Analyse auch nicht ;-)). Die DWZ-Schwächeren hatte er im Griff; gegen die Stärkeren holte er trotz guter Stellungen nur einen halben Punkt (wenn das noch etwas besser ginge!), sodass unterm Strich ein kleines DWZ-Minus steht. Seine Schachlust ist aber ungebremst, denn neben dem JH-Vergleichsturnier, welches er organisieren wollte, wurden auch auf der Rückreise Schachaufgaben mit anderen um die Wett gelöst!
C-Open (291 Teilnehmer) DWZ/ELO < 1400
Dascha Pikki (5 Punkte, Platz 116) spielte ein tolles Turnier und sammelte zusammen mit Hendrik die meisten Punkte. In der ersten Partie unterlief ihr noch ein kurzzügiger Einsteller; das passierte ihr danach aber nicht mehr und sie kam immer besser ins Turnier. Zweimal spielte sie in der Folge sogar an Brett 30 im großen Saal, also in der Spitze ihres Turniers. Der Konzentration war das aber nicht unbedingt förderlich, da Brett 30 direkt an einem der Eingänge zum großen Saal aufgebaut war und insbesondere in der letzten Runde einem Bahnhof glich. Dascha spielte insgesamt ideenreiches Schach und belohnte sich am Ende mit einem Gewinn von +41 DWZ – mit Luft nach oben!
Davit Zohrabyan (4,5 Punkte, Platz 148) spielte zu sehr auf Nicht-Verlieren (ein neuer Josef?!) wobei ihm das auch größtenteils gut gelang – nach 4 Runden war er als einziger unserer Gruppe mit 2,5 Punkten noch ungeschlagen – mit 5 Remisen war er unser zweitfriedfertigster Spieler nach seinem Idol. Taktisch muss sich Davit allerdings gar nicht verstecken – wenn er jetzt noch verinnerlicht, dass Gewinnen der beste Weg zum Nicht-Verlieren ist, wird es bald noch weiter bergauf gehen bei ihm. Nichtsdestotrotz kehrte Davit mit 42 Punkten mehr DWZ und einer gehörigen Portion Schachmotivation nach Berlin zurück!
Unser jüngster Teilnehmer Christ Xu (4 Punkte, Platz 171) überraschte bei seinem ersten großen Turnier mit einem blitzsauberen Start und fand sich mit 2 Punkten aus 2 Partien sogar an den vorderen Brettern im großen Saal wieder. Dort waren die Gegner dann doch noch etwas zu groß für ihn, sodass es bis Runde 7 dauerte, bis er seinen nächsten Punkt holte. Insgesamt erreichte er tolle 4 Punkte, was gegen einen Gegnerschnitt von etwa 1100 für eine Einstiegs-DWZ von 1083 reichte. Super!
Justus Pattberg (4 Punkte, Platz 179), der Zweitjüngste im Bunde, machte schon in der ersten Runde auf sich aufmerksam, als er die drittlängste Partie unserer Teilnehmer spielte (länger als Hendrik ;-)). Nach knapp 4 Stunden musste er sich zwar doch seinem Gegner geschlagen geben, aber die zu später Stunde unter Beweis gestellte Kondition war schon mal beeindruckend! In den darauffolgenden Runden wechselten sich Siege und Niederlagen ab, wobei Justus immer konsequent auf Gewinn spielte (wie Christ: kein einziges Remis!). In der letzten Runde spielte er dann sogar die längste Partie der Gruppe – am Ende reichte die Kraft noch nicht ganz zur Verwertung der zwischendurch sicherlich mal gewonnenen Stellung. Nichtsdestotrotz spielte Justus ein richtig gutes Turnier und machte mit +150 DWZ einen großen Schritt in Richtung “menschliches Leben”*. 🙂
*Anmerkung der Autoren: Im Jugendbereich bezeichnen wir scherzhaft die DWZ-Grenze von 1.000 als „menschliches Leben“.
Jalil Maliji (3,5 Punkte, Platz 239) war die größte Überraschung des Turniers. Erst seit kurzem bei uns im Verein traute er sich gleich an ein so großes Schachopen heran! Wenn man ihn abseits des Schachbretts erlebt hat (stets gut gelaunt, immer einen Scherz parat) glaubt man es kaum, aber am Brett kann er auch richtig nachdenklich sein. Bei seinem ersten richtig großen Einzelturnier war er voller Eifer dabei, brauchte zwar ein paar Runden um ins Turnier zu kommen, sammelte dann aber am Ende noch fleißig Punkte. Er erspielte sich häufig richtig gute Stellungen und gab auch in schlechteren Positionen nie auf. Immer nach einer taktischen Möglichkeit suchend, hätte noch der ein oder andere weitere Punkt auf sein Konto gehen sollen. Insgesamt erspielte Jalil sich eine – aus Trainersicht zu niedrige – Einstiegs-DWZ von 791, wobei in diese Zahl auch Ergebnisse aus anderen, weniger erfolgreichen Turnieren eigehen.
Und sonst so?
Die ganzen sechs Tage drehten sich eigentlich nur um Schach… Der Weg von der Jugendherberge zur Schwarzwaldhalle – dem Spiellokal – wurde zur Vertiefung von Eröffnungen oder zur Spekulation über aufs Brett kommende Eröffnungen (diese kamen dann freilich nur selten tatsächlich aufs Brett – aber das kennt man ja als Schachspieler durchaus…), die Pause zwischen den beiden am Tag zu spielenden Partien wurde zur Analyse der Partien und zum Blitzen, das Abendessen und die freie Zeit am Abend genauso bzw. zum Mitfiebern bei Calrsen und Co. genutzt.
Als zusätzliches Highlight spielten auch noch Weltklassespieler in einem Rundenturnier im Grenke-Chess-Classic. Besondere Aufmerksamkeit erhielt neben dem Weltmeister Magnus Carlsen auch der letztjährige Gewinner des A-Turniers des Grenke-Chess-Opens, Vincent Keymer, der sich als 14-jähriger mit der Weltelite messen durfte.
An einem der Tage blieben wir bis zum Schluss, also bis alle, teilweise mehr als 6 Stunden dauerenden Partien der Grenke-Chess-Classics beendet waren, um Fotos und Unterschriften der Weltstars zu ergattern.
Die Fahrt nach Karlsruhe schlossen wir dann am Montagabend beim Burgeressen ab – natürlich nicht ohne Schachbrett. Nach der Siegerehrung war dann aber erst einmal Schluss mit dem königlichen Spiel: Bis zwei Uhr nachts wurden in der Jugendherberge lieber Werwölfe im sagenumwobenen Düsterwald gejagt. Das Aufstehen gegen 6:00 Uhr am nächsten Morgen fiel dann nicht allen leicht, aber immerhin waren die meisten im Zug wieder so fit, dass – man möge es kaum glauben – wieder Schach auf den Smartphones gespielt wurde! 😉 😉 😉
Nächstes Jahr wollen wir wieder nach Karlsruhe – die Fahrt hat wirklich allen Spaß gemacht und den ein oder anderen schachlichen Motivationsschub gebracht! Anmeldungen werden gerne entgegen genommen ;-).