A-Klasse in Mariendorf: „Ende gut, alles gut!“

A-Klasse 2019 in Mariendorf: „Ende gut – alles gut!“

Turnierbericht von Christian Greiser, der sich am eigenen Turnierpfad orientiert, dabei aber auch müht ein klein wenig über die Leitplanke zu schauen.

 

Ein wesentlicher Grund die A-Klasse zu spielen, ergab sich nach einem Blick in die entsprechende BSV-Liste, auf der mein Verfallsdatum Richtung B-Klasse klar und deutlich festgeschrieben stand. Da außerdem die vergangene BMM-Saison eher suboptimal verlief und ich ohnehin ein Fan ausgeglichener Teilnehmerfelder bin, stand mein Entschluss – natürlich nicht ohne absichernde häusliche Einverständniserklärung – fest.

 

Mein Auftakt in das fünfrundige Turnier verlief wenig erfolgversprechend. Den Irrglauben in einer materiell ausgeglichenen Stellung mit etwas Raumvorteil entscheidend besser zu stehen, bezahlte ich gegen Bernd Kievelitz mit einer Niederlage der Kategorie Trick 17 mit Selbstüberlistung“.

 

Stellung nach 43. … Dh1-h2

Bernd Kievelitz (DWZ 1834)Christian Greiser (DWZ 1877)

 

Mit 44. Df3 oder Le3 wäre die Partie wohl unentschieden ausgegangen; das besonders schlaue 44. Ka3 ?? hingegen – inspiriert durch wilde Mattphantasien – ignorierte den Angriff auf den Bauern f4 und führte nach einigen weiteren Fehlzügen in den Orkus. Damit war gleich mal ordentlich Druck auf dem Kessel, denn um die Klasse zu halten, waren wenigstens 2 Punkte aus 5 Partien notwendig. Stand jetzt: 0/1

 

Leid tat mir nach meiner Patzerei in erster Linie der als moralisch unterstützender Kiebitz angereiste Manfred Lenhardt, aber der lässt sich bekanntlich nicht so schnell vergraulen und kam beharrlich auch in den folgenden Runden. Daumen hoch!

 

Die 2. Runde bescherte mir mit Fabian Schmidt einen jüngeren, ehrgeizigen Spieler und einen vielzügigen Kampf ums Remis.

 

Stellung nach 53. … Ld2-b4

Christian Greiser (DWZ 1877)

Fabian Schmidt (DWZ 1894)

 

Festung – oder keine Festung?“, das ist hier die Frage. In der Partie hielt die schwarze Stellung trotz einer gewinnverheißenden Bewertung für Weiß durch die Blechbüchse (durchgängig +2.66) und nach 92 Zügen wurde die Friedenspfeife geraucht. 0,5/2

 

Seit dem 1. April 2018 besitze ich auch eine (passive) Mitgliedschaft bei Schwarz-Weiß Lichtenrade (Lira) und so bekam ich es in der 3. Runde mit einem neuen Vereinskollegen, René-Reiner Starke, zu tun.

 

Kleiner WeDa-Exkurs: Auch Yannick Kather und David Hörmann haben sich Lira angeschlossen (allerdings aktiv), genau wie schon vor langer Zeit Wilhelm „Willi“ Nehlich, an dessen WeDa-Zugehörigkeit sich aber wohl nur noch einige wenige Club-Dinos erinnern dürften („Es war einmal …“).

 

Da sich mein Drittrundendgegner vor längerer Zeit mir gegenüber mal als Londoner-System“-Spezialist zu erkennen gegeben hatte, unternahm ich einen Praxistest und wollte mir zeigen lassen, was er denn quasi gegen sich selber“ spielt. Der Erkenntnisgewinn blieb bescheiden und nach 33 Zügen folgte die unvermeidliche Remisvereinbarung. 1/3

 

Schlussstellung nach 33. Tgb1

René-Reiner Starke (DWZ 1850)

Christian Greiser (DWZ 1877)

 

In Runde 4 traf ich auf den frisch gekürten Schatzmeister des Berliner Schachverbands Dirk Gros. Da dieser mit den weißen Steinen als ausgewiesener d4-c4-Eröffner gilt, habe ich eine alte Liebe von mir für die erste Partiephase wieder zum Leben erweckt – Grünfeld-Indisch.

 

Sowohl die Eröffnung als auch das Mittelspiel verliefen angeregt, aber immer im Gleichgewicht. Erst im Endspiel ergab sich aufgrund einer Fehleinschätzung meines Gegners plötzlich eine klare Gewinnmöglichkeit, die von Manfred beim Postmortem auch aufgezeigt wurde, mir aber während der Partie kurz vor der Zeitkontrolle mangels Bedenkzeit entging.

 

An dieser Stelle sollte Schwarz zwei Grundüberlegungen parallel anstellen: 1. Wie gefährlich kann der weiße Bauerndurchbruch am Königsflügel mittels h4-g5 (u.U. erst nach dem vorbereitenden Lh5) werden und 2. Wie gefährlich wird die Überwindung der schwarzfeldrigen Blockade am Damenflügel (nach weißem a3) durch den dabei entstehenden weißen Freibauern auf b4 nach schwarzem a5-b5-b4?

 

Stellung nach 36. h2-h3

Christian Greiser (DWZ 1877)

Dirk Gros (DWZ 1939)

 

Mit dem König über f6 und g5 nach h4 zu laufen, um den h3-Bauern abzuholen, erwies sich jedenfalls als zu langsam, sodass die Partie in eine Punkteteilung mündete. 1,5/4

 

Vor der 5. Runde war somit klar, dass für meinen Klassenerhalt mindestens ein halber Punkt nötig war gegen den souveränen Tabellenführer, designierten Gruppensieger und M-Klassenaufsteiger Ralf Gebert-Vangeel. Da diesem ebenfalls ein halber Punkt zur Absicherung seines Turniergewinns gereicht hätte, schien die Ausgangslage eine Win-Win-Situation zu sein. Aber der Reihe nach …

 

Die Eröffnung entpuppte sich als Bogoljubow-Variante der Cambridge-Springs-Verteidigung im Abgelehnten Damengambit (ECO D52), wobei beide Spieler bis zum 13. Zug unwissentlich einer 1926 in Meran gespielten Remispartie zwischen Antonio Sacconi und Ernst Gruenfeld folgten.

 

Bis zum 19. Zug von Weiß war dann alles im Lot (+/=) und wenn bis dahin einer der beiden Spieler eine Punkteteilung angeboten hätte, wäre diese durchaus gerechtfertigt gewesen und niemand hätte sich beschweren dürfen. Aber so kam es nicht …

 

Stellung nach 19. Tb4

Ralf Gebert-Vangeel (DWZ 2031)

Christian Greiser (DWZ 1877)

 

Stattdessen folgte mit 19. … Se7? ein ernsthaftes Versehen des Schwarzspielers, welches einen Bauern kostet (19. … b6, Da6 oder auch h5 hielten weiterhin das Gleichgewicht aufrecht). Nach 20. Sb3 Dd8 21. Tb7: Tc4? geriet Schwarz in noch stärkere Bedrängnis.

 

Stellung nach 21. … Tc4?

Ralf Gebert-Vangeel (DWZ 2031)

Christian Greiser (DWZ 1877)

 

Weiß verfügt über einen gesunden Mehrbauern und kann in der Folge seinen Vorteil mit 22. Sd4 Dc8 23. Tb3 Ld7 24. Db2 stabilisieren. Ein Rechenfehler von Schwarz im 24. Zug besiegelte letztlich dessen Schicksal.

 

Stellung nach 24. … Sc6?

Ralf Gebert-Vangeel (DWZ 2031)

Christian Greiser (DWZ 1877)

 

25. Sb5 ergibt für Weiß ein leckeres Familienschach auf d6, sodass der materielle Vorteil mindestens auf Qualität plus Mehrbauer anwachsen wird; tatsächlich wurde es in der Partie dann sogar eine glatte Mehrfigur plus Mehrbauer. Weiß ließ anschließend nichts mehr anbrennen und im 39. Zug erfolgte die Aufgabe von Schwarz. Schlussstand: 2,5/5 – Klasse gehalten! – und zur Belohnung gibt’s noch fünf DWZ-Punkte obendrauf.

 

Weiß: Christian Greiser (DWZ 1877)

Schwarz: Ralf Gebert-Vangeel (DWZ 2031)

 

Das eigentliche Drama des Schlusstages aber spielte sich zwischen Fabian Schmidt und René-Reiner Starke ab, in der Erstgenannter eine Gewinnstellung (siehe Diagramm) …

 

Weiße Gewinnstellung nach Tg1

René-Reiner Starke (DWZ 1850)

Fabian Schmidt (DWZ 1894)

 

… sogar noch zum Verlust verdarb und …

 

Weiße Verluststellung gem. Gedächtnisprotokoll

René-Reiner Starke (DWZ 1850)

Fabian Schmidt (DWZ 1894)

 

… so seinem Gegner zum Turniersieg verhalf aufgrund einer minimal besseren Zweitwertung gegenüber Ralf Gebert-Vangeel. Und als sei er nicht schon genug gestraft mit dem Partieverlust, musste der Pechvogel des Turniers auch noch den Abstieg in die B-Klasse hinnehmen, da er bei 1,5 Punkten hängen blieb.

 

Mit diesem überraschenden Turnierausgang hatte vor der Schlussrunde wohl ernsthaft niemand gerechnet.

 

Zum Abschluss des Berichts seien mir noch ein paar Worte zum Drumherum in Mariendorf gestattet. Die Turnierleitung war souverän, vom Nachjustieren der Bedenkzeit in der 1. Runde einmal abgesehen, aber auch dies wurde letztlich zügig erledigt. Für eine sehr gute Verpflegung mit Speisen und Getränken nebst einer angenehmen Atmosphäre sorgte die Bewirtschaftung. Für gelegentliche Wetterkapriolen – von unsäglicher Hitze bis zum donnernden Gewitter – können die Gastgeber schlechterdings natürlich nicht verantwortlich gemacht werden.

 

Insbesondere die unmittelbar nach Partieschluss durchgeführten Kurzanalysen der Spieler waren immer wieder von besonderem Wert, wobei das freundschaftliche Klima dieser gemeinsamen Gespräche in aller Regel den unmittelbaren schachlichen Erkenntnisgewinn bei weitem überstieg.

 

Abschließend möchte ich noch eine Lanze für die Klassenturniere brechen – nach etlichen, zum Teil nur schwer nachvollziehbaren Diskussionsbeiträgen zu diesem Thema kürzlich auf der BSV-Homepage. Sicherlich liegt der Zeitpunkt der Klassenturniere insofern unglücklich, als die BMM-Saison und das große Qualifikationsturnier gerade vorüber und die meisten Vereinsturniere abgeschlossen sind, sodass eine gewisse Schachmüdigkeit nachvollziehbar ist. Aber die Möglichkeit in einem annähernd homogenen Teilnehmerfeld die Kräfte zu messen, ergibt sich nicht allzu oft – außer man gehört zu den mehr oder weniger notorischen DSAM-Reisenden. Fazit: Weiter machen!