Erinnerungen an Bodo Kühn

Quelle: Homepage SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf

 

Wie wir durch einen Nachruf bei seinem Verein SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf mit dem Titel „Abschied von einem Gentleman“, dessen Ausführungen wir uns nur voll und ganz anschließen können, erfahren haben, ist der Schachfreund Bodo Kühn im Februar 2021 im Alter von 90 Jahren leider verstorben.

Herr Kühn war zwar nie Mitglied der WEISSEN DAME, aber über viele Jahre ein regelmäßiger und gern gesehener Gast bei unseren Vereinsabenden und manchmal auch bei Oberliga-Wettkämpfen. Auch unsere Vereinskasse konnte sich mehrfach über seine Spenden freuen.  In den letzten Jahren waren seine Besuche aus gesundheitlichen Gründen leider immer seltener geworden, dennoch werden ihn viele Mitglieder noch persönlich kennengelernt haben.

Franko Mahn hat aus diesem gegebenen Anlass den nachfolgenden kleinen Artikel mit einigen persönlichen Erinnerungen an den verstorbenen Schachfreund verfasst:


 

Mit Bodo Kühn war ich über vier Jahrzehnte bekannt, und unsere erste Begegnung im Jahre 1979 ist mir noch sehr gegenwärtig. Damals wurde ich Mitglied in der Schachvereinigung Lasker-Steglitz, die ganz in der Nähe vom Steglitzer Kreisel mit dem „Café Schallehn“ eine wirklich wunderschöne Spielstätte besaß.

Durch den Zulauf vieler starker Spieler wuchs der Verein in den achtziger Jahren sehr rasch qualitativ und quantitativ an. In dieser Zeit erlebte Lasker-Steglitz unter dem Vorsitz von Dr. Joachim Böhme und dem eigentlichen Motor in Person des unermüdlichen Spielleiters Albrecht Colditz seine absolute Blütezeit; es gab sage und schreibe vier(!) am überregionalen Spielbetrieb teilnehmende Mannschaften. In Westdeutschland waren mit Bayern München und dem Hamburger SK in jenen Jahren nur zwei weitere Vereine mit ihren Teams ebenfalls sowohl in der 1. Bundesliga als auch in der 2. Bundesliga, Regionalliga und Jugend-Oberliga vertreten.

Es mag nun mein dritter oder vierter Spielabendbesuch gewesen sein, als ich mich interessiert an den Tisch von Herrn Kühn setzte, wo er sehr lebhaft mit einigen Jugendlichen Partien analysierte. Es war für mich unheimlich faszinierend, wie dabei mit flottem Tempo die Figuren über das Brett geschoben wurden, folgen jedoch konnte ich dem Geschehen wenn überhaupt nur bruchstückhaft. Selbst mal einen Zug vorschlagen, dies traute ich mich nicht, weswegen ich die ganze Zeit über alles nur schweigend beobachtete.

Als sich am späten Abend diese Runde langsam auflöste und ich irgendwann mit Herrn Kühn nur noch allein am Tisch saß, kam ich mit ihm ins Gespräch. Es entwickelte sich eine angenehme Unterhaltung, an deren Ende ich ihn fragte, was denn ein Anfänger am besten als Erstes lernen sollte, wenn er Fortschritte machen möchte: Strategie oder Taktik? Herr Kühn versuchte mir mit einfachen Worten zu erklären, dass beim Schach stets alles miteinander verzahnt ist, ineinander greift und die Elemente eigentlich nicht so starr getrennt werden können. Mit seiner Antwort wusste ich damals nicht sehr viel anzufangen.

Am nächsten Spielabend jedoch kam er auf mich zu und schenkte mir ein gutes Dutzend Schachbücher! Was war das für eine Überraschung. Es waren Bücher hauptsächlich aus der Feder von Kurt Richter, „Die Kunst der Bauernführung“ von Hans Kmoch, die Partiensammlung „Capablanca“ von Euwe/Prins. – Meine Freude war riesig!

Mit Herrn Kühn saß ich fortan in all den Jahren häufig und immer wieder gerne zusammen. Es wurde gefachsimpelt, wobei er mir mit Vorliebe ganz wunderbare Anekdoten von Rudolf Teschner und Kurt Richter erzählte, die beide lange Zeit das Schach in Berlin geprägt hatten. Anschließend holte er dann entweder sein kleines Notizbuch mit den vielen losen Zettelchen oder aber ein Schachbuch aus seiner Tasche hervor und baute eine Kombination oder eine Studie auf dem Brett auf; lehrreich war es eigentlich immer. Apropos: Eine seiner vielen Weisheiten, die er immer wieder gerne zum Besten gab lautete: „Was wäre der Mensch ohne Buch!?“

Mehr als einmal habe ich Herrn Kühn vor allem in meinen jugendlichen Jahren gebeten, mich doch bitte zu duzen … er blieb aber stets beim „Sie“. Rückblickend frage ich mich, ob es in der Schachszene überhaupt jemanden gab, mit dem er sich duzte. Augenscheinlich war ihm eine respektvolle Distanz zu seinem Gegenüber immer wichtig.

Den besonderen Humor von Herrn Kühn beschreibt vielleicht recht gut, wie er sich und seine eigene Spielstärke einschätzte: „Ein Leben lang daneben gegriffen!“ Dieses auf eine liebenswürdige Art etwas kauzige Understatement mochte ich an ihm.