OLNO 2017/18 – R1: Gelungener Auftakt mit 5:3-Auswärtserfolg gegen Empor Berlin (mit Bericht)

Die Einzelergebnisse; alle weiteren Informationen zu dem Sieg nebst einem ausführlichen Bericht folgen zeitnah.

Bei Empor wurde bereits ein Bericht von Elisa Silz veröffentlicht und nun folgt auch noch der gewohnt ausführliche Bericht von Käpt’n Kai:

DRAMAQUEEN IM STADION

von Captain Kai

Lang, lang ist’s her, dass ich in meiner alten Heimat weilte, an der Ecke Mila-/Cantianstr. im Prenzlauer Berg, an der ich einige Jahre wohnte und an der sich auch (jahrzehntelang?) das Spiellokal vom Empor Berlin befand. Deshalb staunte ich nicht schlecht, dass der daneben liegende Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark selbst bzw. ein Verwaltungsgebäude desselben inzwischen das Domizil unseres Auftaktgegners in der Oberliga geworden ist. Und da ich als getreuer Captain natürlich überpünktlich vor dem Oberliga-Spielbeginn um 11 Uhr (ein Privileg des Aufstiegs aus der BMM-Zone) daselbst zugegen war (nur getoppt von – jetzt kommt was!! – Heinz Uhl! ), hatte ich noch Zeit, ein wenig hineinzuspüren in die Stadionatmosphäre des Cantian-Stadions, wie es damals, besser gesagt vorwendisch, auch genannt wurde.

Ich musste nicht nur an meine Zeit denken, in der ich dort noch in meiner Singlewohnung  lebte, bis ich mich von den ersten Vorwehen der Gentrifizierung und natürlich der Liebe von dort vor 15 Jahren nach Friedenau  hinwegtragen ließ.  Ich erinnerte mich auch noch an einen meiner äußerst seltenen Stadionbesuche beim damaligen DDR-Serienmeister BFC Dynamo, der damals (1985?) gegen den HFC Chemie 2:2 spielte. Die Tore stimmten merkwürdigerweise, alles andere war aber vom Schiedsrichter geschoben (ständig wurden Einwürfe, Ecken etc.  pp. in offenkundigster Weise zugunsten des Mielke-Clubs gewertet; davon bekam man dann im Zusammenschnitt im DDR-Fernsehen nichts mehr mit; die Menschen am Schnitt müssen ihr Handwerk jedenfalls hervorragend beherrscht haben!). Noch frappierender war für mich aber die damalige Atmosphäre im Stadion, denn der offensichtlich überwiegende Teil des Publikums war, und dies offensichtlich aus geübter Gewohnheit, g e g e n die Heimmannschaft und zeigte das auch noch unverhohlen! Das, was später als friedliche Revolution endete und in der Stimmung bei der Millionendemo am 4.11.89 auf dem Alexanderplatz seinen Höhepunkt fand, konnte man dort, in der Höhle des Löwen, bereits hautnah erleben! Dass das damals durch Erich 2 nicht „korrigiert“ werden konnte, hatte mich schon sehr überrascht – zumal es damals ja nun wahrlich nicht wenige regimetreue Fußballfans gab.

Nun wäre ich ob solcher Gedankensprünge aber doch fast zu spät zum Schach gekommen, zumindest in diesem Bericht, aber – wie der große Horst Evers als Meister der Vorrede immer wieder beweist – eine noch so geniale Story ist nichts, wenn man vorher nicht erst mal so r i c h t i g ausgeholt hat. Vor allem vor so einer Oberliga-Saison. Die ja eigentlich schon vorher begann, natürlich mit dem von langer Hand geplanten Wiederaufstieg, vorher natürlich dem tragischen Abstieg, davor, na weiß ich nicht mehr so genau, vor allem aber unserer grandiosen Saison-Vorbesprechung. Die ging so schnell wie nie zuvor, überlebte gerade einmal das gemeinsame Essen – und das war auch gut so, denn eine noch so gut ausgetüftelte Vorbereitung wäre schließlich wohl an der gegnerischen Aufstellung gescheitert. Statt des verhinderten Spitzenbrettes M. Thinius überraschte uns Empor (an Brett 2) mit Z. Szajbely, der ansonsten so gut wie nie gespielt hatte. Und auch Mittelbrett P. Atkinson fehlte, stattdessen nahm an Brett 8 die Mannschaftsführerin Elisa Silz Platz.

Als ich nach zwei-drei Stunden auf die Bretter schaute, sah ich eigentlich nirgendwo wirklich Erfreuliches, aber das muss einen bei der WEISSEN DAME ja traditionell nicht weiter beunruhigen, umgekehrt wäre es schlimmer! Definitiv unerfreulich war, dass Martin an Brett 6 von Jungtalent D. Sulayev aus der Eröffnung heraus überspielt worden war und zwei Bauern weniger hatte. Wie Hendrik später bei der Analyse enthüllte, handelte es sich um eine bekannte Variante aus dem Berliner Jugendschach, die Martin bis dato leider völlig unbekannt gewesen war.

Auch Ingo schien gegen H.-J. Meißner ordentlich unter Druck geraten zu sein, hatte sich dann aber im Mittelspiel auch schon halbwegs befreien können. Angesichts der Stellungen bat ich ihn aber, sich nicht bereits zu diesem Zeitpunkt mit einem Remis zufrieden zu geben. Der Rest der Crew hatte zumindest schon mal die schlechtere Zeit. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, war ich es, der – eigentlich gut aus der Eröffnung gekommen – plötzlich einen wichtigen Bauern wegpatzte und keinen Plan hatte, wie ich mit der Situation umgehen könnte, zumal mir dafür nicht mehr viel Zeit blieb. Ironie der Geschichte: ich sollte der Erste sein, der den vollen Punkt einfährt. Nach einigen ungenauen Zügen war es mir in einer äußerst waghalsigen, weil ob langsam knapper Zeit nicht einmal wirklich durchgerechneten, Aktion gelungen, die Partie in taktische Fahrwasser zu führen. Meinem jungen Gegner Raphael Nitsche-Hahn gelang es nicht, präzise gegenzuhalten, so dass er alsbald die Kontrolle über die Stellung und dann auch schnell die Partie verlor. Wenn man mir das nur wenige Züge vorher gesagt hätte… Anyway- 1:0 und der Captain hatte also vorgelegt.

Auf dem Foto zeigt die Uhr 14:25 Uhr, kurz danach machte der Captain persänlich den ersten vollen Punkt für die WEISSE DAME. (Foto: Frank Kimpinsky – vielen Dank!)

Dann kam als Nächstes ein Überraschungsremis am Nachbarbrett – und zwar von Martin! Sein Gegner hatte den Übergang zum Turmendspiel zu überhastet bestritten, und zwar immer noch mit zwei Freibauern auf seiner Seite. Martin holte sich aber auf der entfernten Seite gerade einen Bauern ab und drohte seinerseits einen entfernten Freibauern durchzubringen – das Ganze zusammen mit einem Remisangebot. Wer weiß, vielleicht wäre die Stellung sogar schon für ihn gewonnen gewesen? Wären die beiden Freibauern schneller gewesen als Martins Turm, oder hätte dieser die Bauern noch aufgehalten? Fragen über Fragen, die bei präziserem Spiel sicherlich nie entstanden wären und folgerichtig in die Annahme des Remisangebotes mündeten. Ralf, der an Brett 7 sein Oberliga- und zugleich Stammspielerdebüt hatte, spielte im Gegensatz zu Martin gegen den ältesten Spieler, Altmeister Dr. Peter Welz, und auch diese beiden entschieden sich alsbald angesichts ungleichfarbiger Läufer für eine friedliche Lösung. Und auch Ingo entschied sich dann fürs Remisieren, zumal es an allen anderen Brettern recht freundlich aussah: 2,5:1,5 also.

Kurz nach der Zeitkontrolle war es Hendrik, der den nächsten Sieg einfuhr. Zunächst konnte er die Angriffsbemühungen seines Gegners S. Szajbely neutralisieren, baute dann immer mehr Vorteile auf und zwang den Gegner vor der Zeitkontrolle, die Dame gegen Turm und Läufer zu geben. In der Folge verwandelte Hendrik ruhig und souverän. 3,5:1,5. Und als ich da nach draußen ging, attestierte mir ein Mannschaftskamerad doch glatt ein zufriedenes Lächeln (nun, wir waren ja auch quasi im Keller des Gebäudes, da durfte ich das als sprichwörtlicher Keller-Lächler schon mal…), ahnte in meinem tiefsten Inneren aber schon, dass dies aller augenscheinlichen Gewissheit zum Trotze verfrüht sein würde.

Manfred stand an Brett 8 offenbar ganz gut und hatte einen Bauern mehr, den er aber, wohl um die Dynamik in der Stellung zu verlagern, zurückgab. Sicherlich nicht die beste Entscheidung… Heinz hatte an Brett 3 gegen IM Julian Urban nach engagierter Partie (wie sich das für ein Brett 3 so gehört) ein Endspiel mit Mehrbauern bei L gegen S erreicht, das, wenn er nichts weiter unternähme, Remis enden würde (also das 4:4 schon mal abgesichert hätte), das aber auch – ohne dass die Folgen restlos klar waren – dazu einlud, auf Sieg zu spielen und vor allem, erst einmal t i e f reinzuschauen und Zeit zu investieren. Und Achim an Brett 1 kam nach der Zeitkontrolle mit einem interessanten Mehrfigurenendspiel gegen Jonas Förster raus, bei dem er irgendwie besser durchzusehen schien und das eigentlich auch wenigstens Remis enden sollte.

Es kam, wie es kommen sollte – die Weisse Dame entpuppte sich wieder einmal als Dramaqueen. Manfred geriet immer mehr auf Abwege, seine  Gegnerin zeigte sich auch couragiert. Die Nachwehen des Sturmes, der ihn noch am Vortage eine  Odyssee mit der Deutschen Bahn beschert hatte (danke Manfred, dass du trotzdem gespielt hast!), machten sich sicherlich auch langsam bemerkbar und irgendwann war es dann soweit – nur noch 3,5:2,5! Und auch die anderen Partien rieten mir meine Mitstreiter, als ich von der Imbissbude zurückkehrte, lieber nicht zu betrachten. Heinz hatte den Bauern zurückgegeben, um einen Freibauern zu bilden, aber der Gegner seinen Springer aktivieren können. Es sah halsbrecherisch aus – vor allem für, besser gesagt gegen Heinz. Und Achim war gerade dabei, den Mehrbauern, den er zwischendurch eingeheimst hatte, wieder zu verlieren.

Doch dann verirrte sich Achims Gegner sichtlich, sicherlich auch Folge des immer wieder konsequenten Spiels von Achim. Und Heinz hatte dann noch die Ruhe, den offensichtlich alles stabilisierenden Zug Le5 zu finden, der das Remis hielt. 4:3 und tiefes Durchatmen.

Gegen 17:15 Uhr war Heinz‘ Partie an Brett 3 mit Remis beendet – man beachte die Freibauern auf a2 und h6 – und es stand 4:3. Achim besaß zu diesem Zeitpunkt schon einen Mehrbauern, aber es dauerte insgesamt 112 Züge (!), um diesen zu verwerten.  [Foto: TG]

Achim zwang den Gegner, eine Figur gegen einen Freibauern zu geben. Der Rest war trotz immer noch beachtlicher Stellungsressourcen und entsprechender Gegenwehr Technik, gepaart mit kühler Entschlossenheit, ganz am Ende auch noch bei der Demonstration eines Matts mit Springer und Läufer. 5:3 also um 17:40 Uhr …! (und die Pfiffe der Schiedsrichter und Begeisterungsrufe vom benachbarten Fußballplatz, die uns den gesamten Wettkampf hindurch begleitet hatten, hörten nun auch langsam auf)

So viel Dramatik nach sicherer Führung; zuvor aber auch ein sicherer Vorsprung nach eher schwierigem Beginn. Souverän mag anders aussehen, Hoffnung macht es allemal. Mit einem Sieg in die neue Saison gegen einen Mitstreiter aus dem Oberliga-Mittelfeld des Vorjahres und letztjährigen Berliner Pokalsieger sollte das Thema Klassenerhalt jedenfalls mit deutlich mehr Entspanntheit angegangen werden können als noch vor 2 Jahren, als wir in den ersten beiden Runden gegen potentielle Abstiegskandidaten denkbar schlecht gestartet waren.

In zwei Wochen werden wir gegen einen traditionell unangenehmen Gegner – erneut auswärts – in Neuruppin sehen, ob wir an den Erfolg der ersten Runde anknüpfen oder besser noch eine Schippe raufpacken können.

Und auch dann heißt es natürlich wieder: Daumen drücken! Dort wie auch wieder in der ganzen Saison. Für entstehende manuelle Druckstellen bitte ich schon einmal um Vergebung – sie lohnen sich aber, geht es doch um die ERSTE eines der wundervollsten Schachvereine!

Wir sehen uns!

Captain Kai

2 Kommentare zum Beitrag “OLNO 2017/18 – R1: Gelungener Auftakt mit 5:3-Auswärtserfolg gegen Empor Berlin (mit Bericht)

  1. Lieber Cäpt’n Kai,
    einmal mehr ein schöner Wettkampfbericht mit einer insbesondere für einen Fußballfan äußerst interessanten Einleitung!
    Bezüglich deines „jetzt kommt was!!“ erlaube ich mir aber, daran zu erinnern, dass ich auch schon beim letzten Auswärtskampf in der zurückliegenden Saison bei Chemie Weißensee vor allen anderen Weissen Damen vor Ort war – nämlich bereits mehr als 45 Minuten vor Spielbeginn, was dann noch zu einem halbstündigen Sparziergang durch das Naturschutzgebiet „Fauler See“ reichte. Und auch zu unseren Vorbesprechungen im „Go-Gärtchen“ bin ich schon das ein oder andere Mal vor dir erschienen – allerdings zumeist erst nach Manfred.

  2. Liebe Leser,
    den Rekord hält derzeit unser Dr. I.A. aus dem letztjährigen Match gegen Zita. Er war bereits 1 Woche vor Spielbeginn da.

Kommentare sind geschlossen.