Gleich zwei externe Turniere mit Beteiligung unserer Jugend gab es am vergangenen Wochenende (Q-Kids U13 (7) und Frauen-Blitz). Doch nach über einem Jahr Pandemie beginnen wir diesmal mit einem etwas allgemeineren Rückblick (und Ausblick!).
Lasse ich die Berichterstattung der letzten Monate über „die Jugend“ Revue passieren, so drängt sich der Eindruck auf, dass fast ausschließlich von Erfolgen oder zumindest guten Leistungen und positiven Entwicklungen geschrieben wurde. Da stellt sich die Frage: Entspricht dies den Tatsachen oder ist es einem Druck zu positiven Meldungen und einer (falschen?) Rücksichtnahme auf die jungen Protagonisten geschuldet?
Ich habe in der zurückliegenden Zeit qua Traineramt und aus Interesse viele Partien verfolgt oder sogar analysiert und komme zu dem Schluss: Die Leistungsexplosion ist real! Nicht bei allen, aber doch der Mehrheit und damit einer beachtlichen Anzahl an Kindern und Jugendlichen. Dies gilt für das – erfolgreiche – Bestreiten von Partien mit kurzer Bedenkzeit (Blitzschach und mit Einschränkungen auch Schnellschach), konkret: das schnelle Erfassen der Situation auf dem Brett und von taktischen Motiven und ein planvolles Vorgehen trotz knapper Bedenkzeit.
Während man einigen einen adäquaten Transfer ihrer neuen Fertigkeiten auf Turnierpartien mit langer Bedenkzeit zutraut bzw. dies bei den derzeit seltenen Anlässen auch schon zu beobachten war, fragt man sich bei anderen besorgt, ob sie zukünftig einer neuen Generation von „Blitz-Junkies“ angehören werden. Aus psychologischer Sicht lässt sich ganz nüchtern feststellen: Das häufige, zumeist ausschließliche Spielen von Blitzpartien durch (sehr) junge Personen bewirkt auf jeden Fall eine Konditionierung. Welcher Art und vor allem, wie nachhaltig diese ist, ist sicher von Fall zu Fall verschieden und noch nicht vollständig absehbar.
Es gibt (unüberhörbare) Anzeichen dafür, dass dies Trainer, ggf. auch andere Verantwortliche, bereits jetzt umtreibt und natürlich auch in Zukunft beschäftigen wird – und dies vorerst noch eher hilflose Reaktionen hervorbringt: „Ihr sollt Schach spielen!“ heißt es da u.a. . Da werden sich die Adressaten vermutlich verzweifelt bis verständnislos fragen, was sie denn bitteschön anderes machen, da sie doch von Anfang bis Ende ihrer Partien nichts weiter tun, als regelkonforme Züge auszuführen …
Dies alles soll freilich nicht ohne die Anmerkung stehen bleiben, dass die ältere Generation schon immer dazu neigte, neuartige Entwicklungen mit Skepsis und Sorge zu betrachten. Ziehen wir also in Erwägung, dass die (schachliche) Zukunft möglicher Weise anders, aber nicht zwangsläufig schlechter aussieht.
Sei es, dass einige Kinder anderen Interessen nachgingen oder ihnen an einem sehr frühlingshaften Sonntag Schach-Entzug verordnet wurde, die Beteiligung am Q-Kids-Turnier fiel diesmal deutlich geringer aus: Von den 5 Teilnehmern unseres Vereins spielten nur 2 von Anfang bis Ende durch. Die begleitenden Beobachter „DieDameIstWeg“ und „Blitz-sauber“ waren sich einig: Mit nur einem starken Spieler mehr im Aufgebot wäre die „Titelverteidigung“ wahrscheinlich gelungen (ebenso beim Durchspielen aller unserer Vertreter).
Das Turnier verlief ausgesprochen spannend: Nach einer Stunde Spieldauer betrug die Differenz zwischen den Teams auf den Plätzen 1 bis 5 nur 2 Punkte. Quasi mit der Schlusssirene wurden die „WeDa-Kids“ noch vom 3. auf den 4.Platz verdrängt, bei lediglich 2 Punkten Rückstand auf den Turniersieger Rhedaer Schachverein von 1931 e.V. – Jugend.
Florchen (13/16, Turnierleistung 1966) und Bhuvi06 (8/12, 1878) pflügten in beeindruckender Manier durchs Feld, wobei es Bhuvi06 in 2 der 3 letzten Partien leider nicht gelang, ihre guten Chancen zu nutzen. Sehr ansprechend auch erneut die Leistungen von JohannLeo2012 (5/6, 1624) und von Leandro2904 (3/8, 1495); AllePlatt gewann die einzige Partie seines kurzen Gastspiels.
Zwei Spielerinnen haben sich bereits am vergangenen Freitag am 1. Turnier der 2. BSV Blitz Mädchen/Frauen Online-Turnierserie beteiligt – und brachten die mutmaßlich deutlich ältere Konkurrenz ordentlich ins Schwitzen.
Eine Sternstunde erlebte Bhuvi06, die mit einer Turnierleistung von über 2000 und 7/10 den 2. Platz eroberte (von 15 Teilnehmerinnen). Auf dem keineswegs enttäuschenden 11. Platz fand sich am Ende lilly11 wieder, die neben reifem Spiel auch mit einer bemerkenswert nüchternen und realistischen Selbsteinschätzung auf sich aufmerksam machte: „Da ich längere Zeit kein Blitz gespielt habe, war ich eigentlich ganz zufrieden. Etwas schade fand ich allerdings, dass ich die meisten Partien wegen Zeit verloren habe.“ Im vereinsinternen Duell gleich in der 1. Runde kam sie mit Vorteil aus der Eröffnung. Das klar gewonnene Turmendspiel (zuletzt 3 Mehrbauern) gegen die spätere Turniersiegerin „DagmarAden“ konnte sie leider nicht zu ende spielen, knackte aber immerhin das viertplatzierte „Kokosnuesschen“.
„Alles eine Frage der Perspektive!“
Einschätzungen eines Älteren, den der Optimismus einfach nicht in Ruhe lassen will.
Wie oft wird in diesen Zeiten nach Perspektiven gefragt? Und dabei festgestellt, dass es keine gibt oder nur die falschen und überhaupt …
Für die Q-Liga inklusive Discord-Chat beispielsweise gilt, dass diese gegenwärtig für die Jüngeren und die Älteren eine der wenigen Gelegenheiten darstellt, gemeinschaftlich etwas zu erleben. Und spätestens, wenn den Älteren ob ihrer Ungeschicklichkeit beim „Premoven“ (sprich: pri:muwn) oder beim Auslassen bester Gelegenheiten zuweilen die Contenance abhanden kommt, wissen die Jüngeren, dass eben auch dies dazugehört. Genauso wie die Spannung, die im Auf- und Abstiegskampf gemeinsam erlebt wird. Von den spontanen, gelegentlich nahezu kindlichen Heiterkeitsausbrüchen während der – und noch mehr nach den – Spielrunden mal ganz zu schweigen.
Auch wenn noch so viel Lehrgeld bezahlt wird, sind Fortschritte doch sehr wohl erkennbar. Und dass es sich bei der einen oder anderen Partie unserer Jüngsten tatsächlich schon um Schach handelt, wird gerade im Chat immer wieder anerkennend festgestellt.
Die Weisse Dame jedenfalls hat eine Perspektive und – damit eng verbunden – eine Zukunft. Denn selbst wenn unser heutiger Nachwuchs die TrainerInnen gelegentlich an den Rand der Verzweiflung treibt, was übrigens auch in früheren Generationen durchaus gang und gäbe war, ist ihr Eifer und Engagement doch letztlich aufbauend. Weiter machen – das wird schon!
Herzliche Grüße aus Berlin-Lichtenrade,
Christian Greiser