… ein ganz persönlicher Rückblick auf das Finale der DSAM 2018/19 in Magdeburg und meine dort gespielten Partien.
Deutsche Meisterin – das steht auf einer meiner beiden Urkunden, die ich während der Siegerehrung der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft 2018/19 erhalten habe. Der ein oder andere mag über den Titel lächeln – ich lächle auch ;-), aber stolz auf meine Turnierleistung bin ich trotzdem. Aber der Reihe nach …
Das Finale der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft 2018/19 fand vom 30. Mai bis zum 1. Juni, also über Himmelfahrt, in Magdeburg statt. Eingebettet in den Meisterschaftsgipfel, bei welchem sich deutsche Schach-Profis, Schach-Amateure und Schach-Funktionäre trafen, spielten mehr als 450 Schachspieler um insgesamt 21 Meistertitel. Und ich selbst war mittendrin statt nur dabei! Für das DSAM-Finale in der D-Gruppe (DWZ oder ELO von 1601 bis 1750) hatte ich mich über den Frauenplatz im Hamburger Vorrundenturnier qualifiziert. Damals, im Februar 2019, holte ich 3 Punkte aus 5 Partien – über die gleiche Punktzahl hätte ich mich auch in Magdeburg gefreut, doch hatte ich mir kein konkretes Ergebnis vorgegeben. Drei schöne Tage mit guten Partien waren mein Ziel – und mit Hendrik, Yannick, Manfred und zwei weiteren Berlinern, die sich für die Deutsche Pokal-Einzelmeisterschaft qualifiziert hatten und im selben Hotel wie wir wohnten, war zumindest das erste Kriterium bereits erfüllt!
Über den Spielort hat Manfred bereits in seinem Bericht geschrieben – hier folgen noch ein paar Fotos, um auch den Daheimgebliebenen einen Eindruck der Festung Mark zu vermitteln.
In der ersten Runde traf ich mit den schwarzen Steinen auf Claudia Meffert (DWZ 1661) aus Magdeburg. Noch vor Partiebeginn amüsierten wir uns erst einmal über unseren Vornamen – wir reagierten beide, als jemand von der Seite „Claudia“ rief; bei „Claudi“ war ich aber raus. In der Partie schafften wir gerade einmal 15 Züge und stellten dann beide fest, weniger als 10 Minuten auf der Uhr zu haben. Da bisher noch nichts weiter auf dem Brett passiert war, einigten wir uns schnell in einer für mich etwas aktiveren Stellung auf remis.
Danach spielte ich gegen den Jugendlichen Baran Yüksel (DWZ 1805), der seit Beginn der DSAM-Saison seine DWZ/ELO über die obere Schranke der D-Gruppe von 1750 gebracht und gegen den ich in der letzten Runde im Qualiturnier in Hamburg aufgrund meiner Zeitnot verloren hatte. Etwas nervös war ich vor dieser Partie schon, denn ich wusste schon, dass er seine Züge sehr schnell aufs Brett bringen würde. Aus meiner Sicht hatte ich nur den Vorteil, dass ich in dieser Begegnung die weißen Steine zugelost bekommen hatte. Und auch dieses Mal benötigte ich wieder sehr viel Zeit in der Eröffnung, denn Baran spielte eine Sizilianer-Variante, die ich nicht so häufig auf dem Brett habe. Für Aktivität opferte ich einen Bauern; durch aktives Figurenspiel konnte ich den schwarzen König an der Rochade hindern und schlussendlich den Bauern zurückgewinnen. Mein Gegner sah sich genötigt die Damen zu tauschen, woraufhin ich einen gegnerischen Bauern schlagen konnte. Bei einem Bauern mehr, aber noch 13 Züge bis zur Zeitkontrolle zu spielen und keine Zeit mehr auf der Uhr, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass mir ein Fehler unterlaufen würde. Gleichzeitig meinten zwei Schachfreunde in meinem Rücken sich das dritte Mal mehr oder weniger lautstark unterhalten zu müssen, was nicht nur mich, sondern auch meinen Gegner aus der Konzentration bracht. Aus unerklärlichen Gründen stellte er just in diesem Moment eine Qualität und ich im Zug danach einen Bauern ein. Das entstandene Endspiel war durchaus noch spannend zu spielen, denn Baran verteidigte sich aktiv und versuchte seinen Freibauern umzuwandeln. Am Ende schaffte seine letzte Figur nicht mehr alle meine drohenden Bauernumwandlungen zu verteidigen.
Am Freitagmorgen spielte ich meine schönste Partie des Turniers. Mit Läuferpaar und Dame dominierte ich die gegnerische Stellung derart, dass mein Gegner am Ende nichts mehr ziehen konnte ohne Material zu geben. In einer meiner Spezialvarianten gegen das Londoner System opferte ich in der Eröffnung einen Bauern, erhielt dafür aber die Zentrumskontrolle und natürlich wieder aktives Figurenspiel. Michael Urban (DWZ 1703) klammerte den Mehrbauern und behielt diesen auch bis zum Ende des Mittelspiels. Meine Schwerfiguren kontrollierten dafür die c-Linie. An einer Stelle hätte ich die Partie sofort beenden können – Manfred hielt mich schon für genial, doch ich sah die Taktik (mal wieder) aufgrund meiner wenigen Zeit nicht und versuchte „natürliche“ Züge aufs Brett zu bringen.
Nachdem mein Gegner seinen Springer zum Umgruppieren auf das schlecht möglichste Feld (= a1) gezogen hatte, hatte ich auf einmal nach dem Tausch des letzten Turms viel Platz für meine beiden Läufer. Am Ende konnte keine seiner Figuren mehr wirklich ziehen und als der Materialverlust unvermeidbar war, gab mein Gegner auf.
Nachmittags zur vierten Runde durfte ich gegen Heiko Daum (DWZ 1754) wieder mit Weiß spielen. In einer für mich eher ungewöhnlichen Variante der modernen Verteidigung stellte ich ausgangs der Eröffnung aufgrund meines noch nicht rochierten Königs einen Bauern ein, doch mein Gegner nahm mit der falschen Figur zuerst und ich konnte mit einem Gegentrick eine Figur gegen drei Bauern gewinnen.
Leider fand ich nicht den richtigen Plan meine Mehrfigur richtig einzusetzen und ich musste auf die Mithilfe meines Gegners hoffen. Dieser ließ tatsächlich die Möglichkeit zu Druck gegen den Bauern f7 aufzubauen, doch auch er erhielt Gegenspiel gegen meinen König. Schlussendlich beherrschte ich die d-Linie, er die e-Linie mit den Schwerfiguren. Mit der Mehrfigur wollte ich die Partie unbedingt gewinnen und entschloss mich zu einem gewagten Damenangriff, der meinen König etwas entblößt zurückließ. Ich war mir recht sicher, dass mein König nicht mattgesetzt werden würde, aber ob mein aktives Spiel zum Gewinn ausreichen würde, war auch nicht sicher.
Aber wie heißt es immer so schön: Man muss seinem Gegner die Möglichkeit geben, einen Fehler zu machen. Und genau so ein Fehler passierte meinem Gegner, als er sich entschloss durch Bauernschachs meinen König weiter in seine Bretthälfte zu locken anstatt mit seinem König meinem entschlossen entgegnen zu treten. Das Matt war nun nicht mehr vermeidbar.
Mit 3,5 Punkten aus 4 Partien durfte ich am letzten Tag zur letzten Runde am 1. Brett – dem einzigen Live-Brett im D-Turnier – gegen den einzigen 100%er antreten. Mit einem Sieg in der letzten Partie hatte ich sogar Chancen auf den Turniersieg, denn nur zwei weitere Spieler hatten – genau wie ich – 3,5 Punkte. Michael Heid (DWZ 1913) hatte vor seinem ersten Qualifikationsturnier keine DWZ und wurde von der Turnierleitung in die D-Gruppe eingestuft. Nach drei Turnierauswertungen stellte sich heraus, dass er deutlich zu stark für die D-Gruppe war und eher in der B-Gruppe hätte spielen müssen. Dies ist kein falscher Neid, sondern eine reine Feststellung – evtl. muss die Turnierleitung bei Spielern ohne jegliche Referenzzahl deutlich strenger sein. Am Abend vorher stellten mich noch Hendrik, Paul Meyer-Dunker und Moritz Gressmann auf eine Spezialvariante im Franzosen ein, doch aufs Brett kam dann nochmals die Moderne Verteidigung. Verloren habe ich die Partie dann am Brett, als ich im 10. Zug eine Fehlentscheidung traf; nur drei Züge später war die Partie aufgabereif.
Mit 3,5 Punkten aus 5 Partien gegen einen Gegnerschnitt von 1861, einer DWZ-Leistung von über 2000 und einem DWZ-Zuwachs von 48 Punkten bin ich sehr glücklich und mit meinen Partien – abgesehen von der letzten – ebenfalls zufrieden. Damit ist auch das eingangs zweite Kriterium erfüllt worden!
In der Endtabelle landete ich mit meinen 3,5 Punkte auf dem 7. Platz (dafür gab es einen ChessBase-Gutschein i.H.v. 66,00 €) und wurde beste Frau in der D-Gruppe (dafür gab es einen Gutschein für ein Jahres-Abonnement des ChessBase Magazins), was mir den Titel „Deutsche Frauen Schach-Amateurmeisterin“ 2018/19 der D-Gruppe einbrachte – soweit ich weißt der dritte deutsche Meistertitel für den SC Weisse Dame. Der Titel ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu sehen, denn schließlich sind die meisten Teilnehmer der „richtigen“ Deutschen Einzelmeisterschaften im eigentlichen Sinne ebenfalls Amateure. Und die Turnierserie hat es bisher auch noch nicht in die Turnierordnung des Deutschen Schachbunds geschafft, s.d. diese Meisterschaft doch keinen offiziellen Charakter hat.
Die Siegerehrung fand dann am Samstagabend am Spielort statt. Die Gemäuer mit den vielen kleinen Nischen und den großen Bögen eigneten sich nicht so gut um dem Geschehen auf der Bühne zu folgen – da halfen auch die aufgestellten Fernseher nur wenig. Mit einem großen Buffet, Band und Feuershow endete der erste Meisterschaftsgipfel der Neuzeit; nächstes Jahr soll er wieder in Magdeburg stattfinden. Vielleicht qualifizieren sich ja dann noch mehr WeDa-Spieler für das Finale! Schön war‘s auf jeden Fall!
PS.: Die Berliner Vertreter räumten wirklich viele Preise ab! Zwar schaffte es keiner nach ganz oben, doch drei Frauen-Titel wurden an Berliner Spielerinnen verliehen. Dazu kamen noch neun weitere Plätze unter den besten sieben in den jeweiligen DSAM-Turnieren – entsprechend ausgelassen war die Stimmung unter den Berlinern.
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